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Karsten Hank ist einer der fünf Projektleiterinnen und -leiter beim „Beziehungs- und Familienpanel“ pairfam und begleitet das Projekt seit 2014. Ein Gespräch über den Start und die Besonderheiten von pairfam – und über die Zukunft des Panels im Forschungsprojekt FReDA.
In Deutschland gab lange keine Dateninfrastruktur, die es erlaubt hätte, familiale Prozesse längsschnittlich zu untersuchen und dabei die verschiedenen Ebenen Partnerschaft, Elternschaft, intergenerationale Beziehungen usw. gemeinsam und umfassend zu analysieren.
Frühere Studien haben sich zudem meist nur auf sehr spezifische Aspekte konzentriert, wie beispielsweise die „Mannheimer Scheidungsstudie“.
Anfang der 2000er Jahre wurde deutlich, dass eine tiefergehende Erforschung familialer Prozesse mit den vorhandenen Datensätzen schnell an Grenzen stoßen musste. Der Bedarf an guten wissenschaftlichen Daten war offensichtlich. Im dem Langfristvorhaben pairfam vorangehenden DFG-Schwerpunktprogramm haben sich schließlich 21 Projekte – das war damals quasi die gesamte deutsche Familienforschung – zusammengeschlossen und die pairfam mit einem Mini-Panel auf den Weg gebracht. Damit wurden dann, auch international, neue Standards gesetzt.
Ins Auge springt natürlich sofort die längsschnittliche Perspektive von pairfam mit ihren jährlichen Befragungen. Gerade in der Phase des frühen Erwachsenenlebens gibt es zahlreiche Ereignisse, die fast gleichzeitig passieren: Viele Menschen schließen ihre Ausbildung ab, sie heiraten, kriegen Kinder – und das alles in einem vergleichsweise sehr kurzen Zeitraum. Wären die Abstände zwischen den Befragungen länger, ließe sich nur schwer herausarbeiten, welches Ereignis zuerst eintrat und was darauf folgte. Es ist toll, diese enge Taktung im Rahmen von FReDA fortsetzen zu können.
Das andere ist pairfam‘s Multi-Actor-Design. Mir fällt keine andere Studie mit einem so ausgefeilten Multi-Actor-Design ein, das auch die Kinder und Eltern der Ankerbefragten einschließt. Bei der Partnerbefragung ist wichtig, dass auch nicht im Haushalt lebende Partnerinnen und Partner berücksichtigt wurden. Auch dieses Designelement von pairfam wurde von FReDA übernommen.
Insgesamt haben wir versucht, möglichst viele Bereiche des Familienlebens abzudecken: Partnerschaft, Elternschaft und intergenerationale Beziehungen. Für mich ist es besonders spannend, dabei Wechselwirkungen zwischen Teilbereichen des „Systems“ Familie zu entdecken, die ich so zunächst gar nicht vermutet hätte.
Eine weitere Besonderheit von pairfam ist natürlich auch das Kohorten-Design. Dadurch lassen sich “kritische“ Phasen im Lebenslauf der Befragten sehr gut analysieren. Beispielsweise der Übergang ins Erwachsenenalter in der jüngsten Kohorte, das Kernfamiliengründungsalter in der mittleren Kohorte und die Prozesse später Elternschaft in der ältesten Kohorte. Durch die Fokussierung auf ausgewählte Kohorten erhält man hinreichend große Fallzahlen, um mit der notwendigen statistischen Power lebensphasenspezifische Fragestellungen untersuchen zu können. Von einer so großen Stichprobe, wie wir sie jetzt in der ersten Befragungswelle von FReDA realisiert haben (dreimal so groß wie die ursprüngliche pairfam-Stichprobe!), konnten wir ja früher nur träumen!
Sehr schnell hat sich herausgestellt, dass eine breite nationale und internationale wissenschaftliche Community die Daten nutzt. Was uns besonders freut, ist, dass pairfam inzwischen so fest in der Forschungslandschaft etabliert ist: Die Qualität der Daten ist offenbar so überzeugend, dass nicht nur deutsche Forschende damit gut in internationalen Zeitschriften publizieren können, sondern dass es auch eine ganze Reihe sehr guter internationaler Kolleginnen und Kollegen gibt, die sagen: „Hey, solche Daten haben wir in unserem Land gar nicht – also arbeiten wir mit den deutschen Daten!“
Der Wert von Panelstudien steigt ja mit jeder zusätzlichen Welle. Bei pairfam treten die Befragten jetzt wieder in eine neue Lebensphase: Die Ältesten kommt nun in die „Empty Nest-Phase“; wir beobachten zum Beispiel, wie die Kinder ausziehen und welchen Effekt dies auf die Partnerschaft der Eltern oder die Beziehung zu den Kindern hat. Deswegen ist es so enorm wichtig, dass die pairfam-Stichprobe in FReDA integriert wurde und weiterläuft. Momentan läuft für die pairfam-Stichprobe die 15. Welle – jetzt als Teilwellen W2a und W2b von FReDA. Meine große Hoffnung ist, dass die große, etablierte pairfam-Nutzergemeinde mit den FReDA-Daten weiterarbeitet. Denn das ist ja das Tolle an FReDA: Wir haben einerseits eine ganz frische, sehr große repräsentative Stichprobe – und wir haben schon jetzt ein Panel mit 14 Wellen. Plus die 15. Welle, die momentan gerade im Feld ist.
Doch die Fortführung der Stichprobe wird (hoffentlich) nicht nur pairfam-Nutzende glücklich machen. Denn dadurch, dass FReDA neben der pairfam-Befragung auch den deutschen Generations and Gender Survey (GGS) abdeckt, werden wir neue Nutzergruppen erschließen, die an international vergleichenden Fragestellungen interessiert sind. Hier entsteht also noch etwas ganz Neues. Das ist das Coole an FReDA. Hier gehen wir noch einmal einen Schritt weiter.
Der Community der Forschenden steht also weiterhin eine qualitativ hochwertige Datenquelle zur Verfügung. Das dient wissenschaftlichen Zwecken – und natürlich auch der Politikberatung: Nur mit FReDA können solide Aussagen über die Situation von Familien in Deutschland getroffen werden.
Gerade in den letzten zwei Jahren haben wir ja gesehen, was die empirische Sozialforschung leisten kann. Alle großen Surveys haben es geschafft, extrem schnell auf die Herausforderung der COVID-19-Pandemie zu reagieren. Ich habe es noch nie erlebt, dass es einen so großen unmittelbaren Bedarf an sozialwissenschaftlichen Erkenntnissen gab. Es hat mich sehr gefreut: dass die Sozialwissenschaften so einen wichtigen Beitrag leisten konnten, um zu verstehen, was in dieser Krisensituation passiert und dass sie Hinweise an die Politik geben konnten, wie man mit den Herausforderungen für die Menschen besser umgehen kann.
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